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Noch nachträglich muss man sich wundern, dass diese Einheit fast durch fünf Jahrhunderte erhalten blieb, wenn man heute einen Blick auf eine Landkarte aus der damaligen Zeit wirft. Nahezu zehn Nachbarstaaten mit mehr oder weniger großen Ausdehnungsgelüsten umgaben das Aachener Reich wie ein enger Ring. Wohl einzig der Tatsache, dass Kaiser und Könige immer wieder schützend ihre Hand über die einstige Krönungsstadt Aachen, den „Erzstuhl“ des deutschen Reiches, hielten, hat das Aachener Reich seinen Fortbestand auch in bedrohlichen Situationen zu verdanken.

Und deren gab es genug! Vor allem die Nachbarn im Osten die Herzöge von Jülich, die ihre Festung Wilhelmstein in Bardenberg bis unmittelbar an die Reichsgrenze herangeschoben hatten, versuchten mit schöner Regelmäßigkeit, das Aachener Reich ihrem Herzogtum einzuverleiben. Und da der Aachener Rat sich auf die Gunst seiner Kaiser und Könige allein nicht verlassen mochte, umgab er sein Reich mit einer starken Befestigung, einem Ring von Wällen und Gräben, der Landwehr, die im Volksmund Landgraben genannt wurde, Zuallererst wurde die Grenze gegen das Herzogtum Jülich abgesichert, Würselen, das an der am stärksten gefährdeten Nordostecke des Reiches lag, war daher schon 1419 zwischen Bardenberg und Weiden längs der Würselener Grenze durch die Landwehr geschützt.

Ausschnitt aus einer Karte des Herzogtums Limburg mit dem Aachener Reich

Ausschnitt aus einer Karte des Herzogtums Limburg mit dem Aachener Reich

Sie bestand aus einem vier Meter hohen Mittelwall und zwei etwa 1,20 Meter hohen Nebenwällen, die durch drei bis vier Meter tiefe Gräben voneinander getrennt waren. Der Hauptwall wurde mit einer breiten, dichten Hecke aus Hainbuchen und Eichen bepflanzt, die so beschnitten wurden, dass sie sich nur seitlich entwickeln konnten. Im Laufe der Jahre verwuchsen dadurch die Zweige zu einem undurchdringlichen Dickicht. Die Straßendurchgänge waren durch Schlagbäume und Sperrketten besonders gesichert. Hinzu kamen, über die ganze Landwehr verteilt, acht Wachttürme an den strategisch wichtigen Punkten. Einer dieser Türme befand sich in Morsbach. In Kriegszeiten waren die Türme mit Wachtposten belegt, die den anrückenden Feind sofort zu melden hatten. Im Frieden bezogen, der Wirtschaftlichkeit halber, Förster die Türme als Wohnung.

Der mit großem Elan begonnene Bau der gewaltigen Wehranlage geriet bald ins Stocken - aus einem Grund, der auch heute noch viele Bauvorhaben vorzeitig zum Erliegen bringt: In den Kassen des Aachener Reiches wurde das Geld knapp. So dauerte es fast fünfzig Jahre, bis die Landwehr um das Aachener Reich vollendet wurde. Sie bot nun Schutz vor unerwünscht herbeiziehendem fahrenden Volk, räuberischem Gesindel, herumstreifenden Heerhaufen, war aber in einem echten Kriegsfall wegen ihrer großen Ausdehnung nur schwer zu verteidigen. Immer wieder brachen fremde Truppen in das Aachener Reich ein, unter denen auch das Würselener Quartier schwer zu leiden hatte.

Schon 1410, noch vor dem Bau der Landwehr, überfiel der Graf von Virneburg mit seinen Leuten den Ort und brannte Würselen vollständig nieder. In den Kriegen der nachfolgenden Jahrhunderte waren es 1699 und 1610 Brandenburger und die Pfa1z-Neuburger Truppen, die Würselen verheerten, nachdem die Einwohner zuvor in die Wälder geflüchtet waren. Nach den Brandenburgern und Pfälzern machten die Würselener 1641 und 1642 die Bekanntschaft mit den Soldaten zweier anderer deutscher Fürstentümer, den Hessen und Weimarer, die nicht weniger unerfreulich ausfiel. Abermals wurde Würselen unter schweren Gewalttaten fast vollständig zerstört. Kaum wieder aufgebaut, rückten 1678 die Franzosen ein. Die Würselener, nun schon erfahren im Umgang mit fremden Truppen, zogen sich erneut rechtzeitig in die sicheren Wälder zurück. Als sie sich wieder hervorwagten, fanden sie von ihren Häusern abermals nicht viel mehr als rauchende Trümmer vor.

Für das Aachener Reich aber kommt das Ende erst ein gutes Jahrhundert später. 1792 besetzen die Truppen der französischen Revolution die linke Rheinseite und zerschlagen alle die kleinen und kleinsten Staatengebilde und Herrschaftsbereiche, um in der „einen und unteilbaren“ Republik aufgehen zu lassen. „Die Französische Revolution fegte auch im Rheinland das Gottesgnadentum gekrönter und ungekrönter Häupter von Kurfürstentümern, Stiften, Ritterschaften und Stadtstaaten auf den Kehrichthaufen der Geschichte“, schreibt Professor Will Hermanns in der Heimatchronik des Landkreises Aachen. „Sie machte aus Aachen die Hauptstadt im Département de la Roer und gewann damit den ersten und entscheidenden Sieg über kirchturmspolitische Enge und kleinstaatliche Zerrissenheit.

Die 1944 zerstörte Morsbacher „Burg“ über den Fundamenten der Befestigungsanlage des alten Aachener Reichs

Die 1944 zerstörte Morsbacher „Burg“ über den Fundamenten der Befestigungsanlage des alten Aachener Reichs

Zwanzig Jahre Franzosenzeit ließen den Aachener auch im Reich vergessen, dass der Jülicher zeitlebens der Erbfeind gewesen war. Jetzt ist der Boden vorbereitet für eine grundlegende und umfassende Neuordnung, die sich nicht nur im kommunalen Bereich, sondern auch in der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Aachener Landes und seiner Gemeinden auswirken sollte. Würselen wird unter den Franzosen zunächst in die vier Distrikte Würselen, Morsbach, Scherberg und Schweilbach eingeteilt. Aber 1. November 1800 fällt eine Entscheidung, die für das Gesicht der heutigen Stadt außerordentlich wichtig ist: Alle Dorfschaften, Weiler und Höfe werden zu einem Groß-Würselen und einem einzigen Bürgermeister zusammengefasst.

Die Neuzeit hat begonnen.

Würselen, fast 500 Jahre eines der Quartiere im Aachener Reich, gehört unter den neuen Herren zum Kanton Burtscheid, Arrondissement Aachens Département de la Roer. Es ist nunmehr eine „Commune“, eine Gemeinde, und der Name des damaligen Bürgermeisters verdient hier festgehalten zu werden, weil er der erste einer langen Reihe geworden ist. Er hieß Peter Leuchter und führte die Verwaltungsgeschäfte bis zum Jahre 1808.

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