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 Gerne lief ich auch in die Dell, zu " Tant Traut ", meiner Patentante, wo es immer etwas Handfestes zu essen gab, wo es Kaninchen gab und wo immer mindestens ein Schwein gemästet wurde, manchmal mit "Muttföische" aus dem nahegelegenen Ackersweiher, auf dem man im Winter wunderbar die Bahn schlagen konnte. (Schlittschuhe hatten damals nur sehr wenige Kinder.) Sehr beeindruckt war ich bei Tant Traut von einer Bodenklappe, die man hochheben musste, um an die Kellertreppe zu kommen.

In der Pützgracht waren auch die Rodelberge der Lindener Kinder. Für die Kleineneren in Dittmanns Wiese, etwa dort, wo heute die Häuser von Amberg, Köther und F. J. Nießen stehen. Die größeren Kinder rodelten von den verschiedenen Höhenlagen im "Jüddeküllchen" (den heutigen Grundstücken Knipprath und Basten) aus, oder aber auf dem letzten abschüssigen Teil des Neuen Weges, der heutigen Mozartstraße. Wagemutige rodelten gegenüber von Wahlen/Wöbel eine ziemlich hohe und steile Wiesennase hinunter bis auf die Broicher Straße. Die Tapfersten jedoch rodelten in der Dell, von der Hecke hinter " Bieße Ween" aus hinunter bis zur Hecke vor dem Bach (heutiges Kindergartengelände). Diese steil abfallende Rodelbahn hatte nur einen sehr kurzen Auslauf. Wer nicht Acht gab, der landete in der Hecke, bei sehr hohem Tempo auch schon mal im Bach, der damals noch nicht kanalisiert war, nur in Beton eingefasst.

Apropos Kanal. Linden-Neusen war in meiner Jugendzeit noch ohne Kanalisation, die erst nach 1950 in Angriff genommen wurde. Von Vorweiden aus hatte die Molkerei Köpp Ende der 30er Jahre einen -privaten- Kanal bis zur Dell legen lassen und wahrscheinlich auch das Betonbett bis an die Kurve vor dem Ackershof (bewohnt damals von Schunk) finanziert. An diesen Kanal waren oben in Linden einige Häuser angeschlossen, darunter auch Kappertz. Der Rest des Dorfes war jedoch ohne Kanalisation, die einfachen Abwässer flossen in die "Sief", für den Rest waren die Plumpsklos da. Wenn bei Mainz gebadet wurde, war die " Sief " bläulich verfärbt und roch nach guter Seife. Einige Häuser hatten für die Abwässer ein Ein- oder Mehrkammersystem im Garten, der Inhalt wurde je nach Bedarf und Wetter als Dünger für den Garten benutzt.

Die Wasserleitung war mit Sicherheit auch noch nicht alt, denn bis zum Krieg gab es noch an einigen Stellen im Dorf die hohen, gußeisernen Pumpen mit den riesigen Schwengeln. Wasser gaben sie allerdings keins mehr.

Haupttransportmittel in meiner frühen Jugend waren die Füße. Mariadorf, Weiden oder St. Jöris waren keine Entfernungen. Für Lasten waren Pferd und Wagen da, nur Kronenbrot fuhr schon mit motorisierten Lieferwagen weitere Strecken und auch Leo Rosenbaum in Neusen hatte schon einen Speditions-Lastwagen.

Die Hauptstraße war so wenig befahren, daß wir sonntags z.B. vor Soquars Haus auf der Straße unbehelligt mit Papierfliegern spielen konnten, wenn uns das Spielen auf dem Speicher mit den Zinnsoldaten zu viel wurde, von denen es bei FJS eine Unmenge gab.

Die elektrische Kleinbahn, "die Tramm" die seit 1896 durch unser Dorf fuhr, war teuer und wurde nur für lange Strecken benutzt, wenn man z. B. nach Aachen fuhr oder nach Stolberg. Auch Schüler fuhren nach Aachen, da es hier herum keine weiterführenden Schulen gab. Kinderreiche Familien bekamen vom Staat Fahrkartenzuschüsse, die sich nach dem Einkommen der Eltern richteten.

Doch einmal im Jahr fuhr "man" bestimmt nach Aachen: in der Vorweihnachtszeit. Man fuhr "et Kresskengche kikke" und einmal sah ich dabei sogar eine Aufführung von " Peterchens Mondfahrt " im Stadttheater. Wahrscheinlich war ich unerwarteter Weise längere Zeit "brav gewesen".

Die Eisenbahn war schon früher da, machte von Aachen aus jedoch den Umweg über Kaisersruh, Würselen, Euchen und Mariadorf, um nach Jülich zu kommen, statt den direkten Weg über Linden und Mariadorf zu nehmen. Noch in meiner Jugend behauptete die Fama (besonders die der "Wiieter Peäd "), die Linden-Neusener Bauern hätten den Bau der direkten Bahnverbindung Aachen - Jülich über Linden verhindert, weil sie Angst gehabt hätten, ihre Kühe würden dann keine Milch mehr geben und ihre Hühner keine Eier mehr legen. In Wirklichkeit wird wohl der Kaninsberg die Ursache gewesen sein, dessen große Steigung aus dem Aachener Loch heraus die Eisenbahner vor Probleme stellte, die von der Kosten/Nutzen-Seite her damals nicht zu lösen waren.

Die "Elektrische" hatte diese Probleme nicht, obschon auch sie im Winter schon mal Schwierigkeiten hatte, wenn das Eis auf und in den U-förmigen Schienen saß. Sie fuhr dann einfach nicht weiter und wartete "auf besseres Wetter", wenn auch der auf die Geleise gestreute Sand nicht half. Die Fahrgäste warteten entweder geduldig mit oder sie mussten per pedes weiter.

Und wieder zurück zum Rodeln. Die Neusener Kinder rodelten "op et Höefje" (manchen sagen auch "henger et Höefje". Von uns aus kam man dorthin entweder "döerch et Eng", also über die Endstraße, oder aber -einfacher- über einen Durchgang zwischen der Bäckerei Esser (nachmals Edi Cauberg) und dem Haus von "Essesch Käsper". Dieser Durchgang diente auch den Lindenern als Abkürzung, wenn sie nach St.Jöris wollten und führte am Höfchen vorbei durch Wiesen mit Drehkreuzen in der Umzäunung hin zum St. Jöriser Weg ausgangs des Ends. Diesen Durchgang gibt es heute - leider- nicht mehr. Das eigentliche "Höefje" war eine bebaute Hof- und Hinterhoffläche zwischen dem Haus von Kaspar Esser und dem von Kranz/Bock, und es soll dort früher immer " völ mäng" (allerhand los) gewesen sein.

Die Kinder aus der Ley-Siedlung rodelten " auf Blumenrath" vor dem Schlamm-weiher, oder aber gegenüber bei Leuer. Mit meinem kurzen Stummelschlitten (auf dem unser Andreas noch seine ersten Rodelversuche gemacht hat), bin ich einmal auf Blumenrath gewesen, wollte mich zeigen und startete direkt von ganz Oben. Ich landete natürlich im Stacheldraht und zog reichlich zerkratzt und klein-laut nach Hause. Lange her, doch nicht vergessen.

Doch zurück zum Sommer und in die Pützgracht. In den unteren Astgabeln niedriger Bäume bauten wir Häuschen aus Zweigen und alten Brettern, wie richtige Kinder es auch heute dort noch tun, allerdings viel vornehmer mit Sperrholz und Pappe, Materialien, die damals noch keine Wegwerfartikel waren. In manchen der alten Bäume fanden wir Baumerde, die beste Blumenerde, die es gab.

Am Ackersweiher war der Bauernhof Schunk/Decker. Dort waren wir nicht besonders gut angesehen, weil, nach Ansicht der alten Frau dort, um den Ackersweiher herum viel zu viel " jejööstert " wurde.

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