19.03.24
 

Fast scheint es so, als hätte die Geschichte im Aachener Land an dieser Stelle eine Pause macht. Wir erfahren jedenfalls für einige Jahrhunderte nichts weiter über das Schicksal der aus den römischen Heerlagern hervorgegangenen Siedlungen. Als sich der Vorhang zum nächsten Akt öffnet, hat sich die Szenerie geändert. Die Franken haben sich fest etabliert und ein Reich errichtet, das fast das ganze westeuropäische Festland umfasst. Natürlich ist dieser Prozess wie alle Reichsgründungen nicht ohne Komplikationen abgegangen. Das zunächst regierende Geschlecht der Merowinger wurde -von den Karolingern abgelöst. Es gab schwere Machtkämpfe im Inneren des Reiches, zeitweise sogar mehrere Könige in dem geteilten Reich, bis sich schließlich, wie fast immer in der Geschichte, der Stärkste, Kühnste und Klügste durchsetzte. In diesem Fall hieß er Karl der Große.

In seiner Zeit war Aachen eines der königlichen Hofgüter, in denen der Herrscher vorüber gehend residierte - eine Hauptstadt eines Reiches kannte man noch nicht. Aachen, einst Kurbad der römischen Legionen, war zum Hofgut, zur Königspfalz geworden, zu der in der Umgebung zahlreiche königliche Nebenhöfe gehörten.

Einer von ihnen, der Salhof an der Wurm, wurde „Wormsalt“ genannt, was nicht mehr und nicht weniger heißt als eben Salhof an der Wurm. Und Salhof die Bezeichnung für einen Herrenhof, der sich allerdings in seinem Äußeren nicht wesentlich von den anderen Bauernhöfen unterschied, wenn man davon absieht, dass Herrenhaus und Speicheranlagen in der Regel etwas größere und festere Bauten waren.

Wormsalt, das ist die erste, am 17. Oktober 870 urkundlich festgehaltene Bezeichnung für die heutige Stadt Würselen. Die Weiterentwicklung des Namens von Wormsalt zu Würselen lässt sich an vielen anderen Urkunden genau durch die Jahrhunderte verfolgen.

1200: Wormsaldia

1239: Worselden

1300: Wursalda

1350: Wursulden

1372: Wörselden

1558: Wursulen

1616: Wurseln

und noch im selben Jahr Würselen.

 Natürlich ist Würselen nicht der einzige Ort; der in der karolingischen Zeit erstmals namentlich erwähnt wird. Zahlreiche Siedlungszentren entstehen in dieser Zeit oder werden zum ersten Mal urkundlich genannt. Es sind königliche Domänen, Einzelhöfe, Klöster und Wehrbauten. Viele von ihnen sind Kernzellen heutiger Dörfer und Städte geworden. Schon im 9. Jahrhundert werden neben Würselen unter anderem Laurensberg, Bardenberg, Afden, Merkstein, Kirchrath und Vaals genannt.

Mit dieser Urkunde vom 17. Oktober 870 übertrug Ludwig der Deutsche die Pfarrkirche von Würselen dem Abt Ansbold von Prüm.

Mit dieser Urkunde vom 17. Oktober 870 übertrug Ludwig der Deutsche
die Pfarrkirche von Würselen dem Abt Ansbold von Prüm.

In ihr ist erstmalig der Name Würselen in seiner damaligen Form erwähnt:
Wormsalt – das fünfte Wort in der dritten Zeile.

Wie alle anderen Bauernhöfe waren auch die Gebäude des Wormsalts und der zu ihm gehörenden Hofkirche aus Holz errichtet. Denn Würselen ist, wie die Orte in seiner Umgebung, auf Waldboden entstanden, und die Wälder bildeten eine der wichtigsten Lebensquellen, die nicht nur Bau- und Brennstoff lieferten, sondern mit ihren Beeren, Bucheckern und Eicheln auch wertvolles Futter für die Viehmast.

Der Würselener Salhof lag, wie man mit Sicherheit annehmen darf, in der Nähe der ersten Würselener Kirche, die ja als Hofkirche dienen sollte. Man vermutet, dass ihr Platz sich ungefähr an der Stelle befunden hat, an der heute die Pfarrkirche St. Sebastian steht. Warum gab es hier auf dem königlichen Nebenhof, schon so früh eine eigene Kirche?

Karl der Große musste seine Nebenhöfe in kirchlicher Hinsicht selbständig machen, wenn nicht die wohldurchdachten Vorschriften seiner Landgüterordnung in wichtigen Punkten unwirksam werden sollten. Im 54. Kapitel dieser ausführlichen, für die Verwalter der einzelnen königlichen Güter bestimmten Verordnungen heißt es nämlich, die Gutshörigen dürften sich nicht vor, der Arbeit drücken indem sie sich an anderen Orten herumtrieben, sei es auf Jahrmärkten oder unter dem Deckmantel Erfüllung kirchlicher Verpflichtungen. Wollte also der Kaiser verhindern, dass seine Hofleute zur Erfüllung wirklicher oder angeblicher religiöser Pflichten öfters der Arbeit fernblieben und nach Aachen zogen, so musste er ihnen Gelegenheit geben, auf dem Hof selbst diesen Pflichten nachzukommen Daher die frühzeitige Gründung von zwei Hofkirchen außerhalb Aachens, die eine in Würselen, die andere in Laurensberg, ebenfalls einem königlichen Nebenhof.

Übrigens erwies sich dabei die Wurm erstmals auch als kirchliche Grenzlinie: Die Höfe auf der rechten Wurmseite „over Worm“ und damals auch Würselen gehörte zur Diözese Köln, die auf der linken Seite zur Diözese Lüttich.

Gab es auf diese Weise für die Nebenhöfe eine gewisse kirchliche Selbständigkeit, so befanden sie sich andererseits in einer starken wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Aachener Pfalz als dem Haupthof. Auf den Nebenhöfen waren vor allem Schmiede, Bäcker Zimmerleute, Schuster und natürlich Bauern tätig. Sehr wahrscheinlich wurde das Getreide von den Feldern des Würselener Hofes schon in frühester Zeit im Wurmtal von einer königlichen Mühle verarbeitet. Von der Wolfsmühle im Wurmtal weiß man, dass sie schon lange vor dem Jahre 1200 bestanden hat. Die Aufsicht- und Verwaltung auf der Wormsalt oblag - wie bei allen Hofgütern - einem „Meier“. Bei dieser Amtsbezeichnung hat das lateinische Wort „maior“, der Größere, Pate gestanden. Alle übrigen Hofinsassen waren mehr oder weniger unfrei, der Gutsherr gebot direkt über die Person der Untertanen. Noch im 11. Jahrhundert war das gesamte niedere Beamten-, Bauern- und Handwerkertum und Gesinde der königlichen Höfe und ihrer Nebenhöfe Leibeigene.

Das änderte sich, zumindest für die Bewohner der Aachener Pfalz, im Jahre 1166. Kaiser Friedrich Barbarossa aus dem Haus der Hohenstaufen, das inzwischen die deutschen Herrscher stellte, verlieh Aachen die Stadtrechte - Markt, Mauer, Maut (Zollrechte) und eigene Münze - und allen in Aachen Geborenen die persönliche Freiheit. Das Eigentum der Krone an der Pfalz war durch Schenkungen der Kaiser und Könige an treue Gefolgsleute, an Klöster und Stifte im Laufe der Jahre wahrscheinlich stark zusammengeschmolzen. Andererseits hatte sich das Wohngebiet rund um die Pfalz durch Kaufleute und Gewerbetreibende, die sich dort niederließen, so vergrößert, dass die Verleihung der Stadtrechte den folgerichtigen Abschluss dieser Entwicklung bildete. Bei den Krönungsfeierlichkeiten und glanzvollen Reichstagen, die in Aachen stattfanden, werden die Nebenhöfe umso stärker für die Beherbergung der fürstlichen Gäste und ihres Gefolges herangezogen worden sein, je kleiner der Haupthof in Aachen wurde.

Jedenfalls hatte sich an den Verhältnissen auf den Nebenhöfen im Vergleich zu Aachen wenig geändert. Sie scheinen auch im 13. Jahrhundert als Königsgüter noch unter direkter königlicher   Verwaltung gestanden zu haben. Darauf deutet ein Ereignis aus dem Jahre 1214 hin, als die inzwischen selbstbewusst gewordenen Bürger der Stadt Aachen dem König eine Aufnahme in ihre Stadt verweigerten. Friedrich II. kehrt um und wendet sich mit seinem zahlreichen Gefolge wohin? Zu Königshof Wormsalt, wo er im Gegensatz zu Aachen nach wie vor willkommen ist und Unterkunft findet.

In einer Hinsicht allerdings hat sich auch auf den Nebenhöfen in der Umgebung Aachens im Laufe der Jahrhunderte einiges getan: sie sind mit der Zeit immer größer geworden, Wälder werden gerodet, neue Felder urbar gemacht, die Zahl ihrer Bewohner steigt, Ländereien werden abgetrennt, auf denen neue Güter und Höfe entstehen - kurzum, die ursprünglichen karolingischen Höfe bilden den Kern von Dörfern, die langsam um sie herum entstanden sind und weiter und weiter wachsen. Bald nennen sich diese Dörfer, die als „Kaiserland" unmittelbar dem Kaiser unterstehen, stolz Reichsdörfer und kehren damit den Gegensatz zu den „landsässigen“ Dörfern heraus, die den jeweiligen Landesfürsten zu ihrem Herrn haben.

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