19.03.24
 

Der Ackershof war ein alter Fachwerkbau mit gezapften Balken, Zweigspelderung und Lehmauffüllung. Aus dem 14. Jhdt. stammend, war dieses Kirchenlehen wohl der älteste Bauernhof von Linden-Neusen. Nach dem Krieg wohnte hier eine Zeit lang die Frau Opers,die (im Beiß/Weber-Haus) ausgangs der Pützgracht zur Broicher  Straße hin bis Kriegsende ein  Lebensmittelgeschäft hatte. Jetzt wohnte sie auf dem Acker, zusammen mit ihrem Bruder Peter Graf." Jroeve Pitt" war ein so-genannter " Oodrücher" der mit allem und jedem handelte, ein echtes Original in dieser an Originalen wahrlich nicht armen Zeit.

In einem Nebengebäude des Ackershofes wohnten Hacking. Der alte Hacking mit seinem urtümlichen Vollbart wusste sagenhafte Geschichten zu erzählen. Aus Russland z.B., wo er als Soldat gewesen war. Einmal sei ihm im kalten Sibirien ein riesiger Mann begegnet, der nur ein Auge hatte und das mitten auf der Stirn.

Auf seine Fragen habe der Riese immer nur gesagt: " Hacking, eiß Bärefleesch."

Ackersweiher, Ackershof und Hacking sind verschwunden. Ende der 60er Jahre war in dem schon recht verfallenen Gebäude nochmal eine Schweinzucht, das Gelände gehörte damals, soviel ich weiß, der Kirche, teilweise auch Kurt Kellenter. Die Gebäude gingen um 1970 bei einer Feuerwehrübung in Flammen auf und wurden danach eingeebnet.

Zum Ackersweiher gehörte die Dell, wie die Dell zum Ackersweiher. Von der Bausubstanz her gesehen enthielten die Dell und das End die ältesten noch bestehenden Teile des Dorfes, neben Broich auch die ursprünglichsten. Denn nur in diesen drei Dorfteilen gab es von alters her Viehtränken, wichtige Voraussetzung für eine ursprünglich rein landwirtschaftlich orientierte Bevölkerung.

Die Dell war ein Dorf im Dorf, wie weiter oben auf Weiden zu der Sösse Eck, wie das End und teilweise auch das Sträßchen. Alle haben viel von ihrer Ursprünglichkeit verloren. Die Fama der Dell insbesondere ist jedoch bis heute lebendig geblieben in den "Amaröllchere". Vom alten Mohren vielleicht, wenn er ( der ein hervorragender Kaninchenzüchter war) anläßlich der jährlichen Ausstellung bei "Wirtz auf dem Saal" mit ausladenden Gebärden Kaninchen "amerikanisch" versteigerte und sich dabei seinen großen, schönen "Schnauzbart" elegant strich.

Vom alten Fritz von Bracht vielleicht, der in seinem Garten zur Straße hin eine wunderschöne Voliere angelegt hatte und der so interessant zu erzählen wusste. Vom alten Salber vielleicht und vom alten Jung, der Dachstühle baute und der der wohlgelittene Ehemann der Hebamme unseres Dorfes war. Vom alten Theissen vielleicht, der im Kirchenchor eine gute Baßstimme sang, oder vom alten Steffens, der zur besseren Unterscheidung der vielen Steffens "Steffens Hännesje" gerufen wurde. Von " Sturme Wienes " vielleicht, dem unverwüstlichen Dachdecker mit dem großen Durst (den im Dorf allerdings auch viele anderen hatten) oder von Jrömmesche Hännes und Essesch Wisse.

Dann käme sicherlich noch so manches Amaröllchen aufs Tapet, worüber man schmunzeln könnte.

Vielleicht, vielleicht.

Neben unserm Haus begann der Neue Weg, der 1924 als Fußpfad auf Antrag des Landwirtes Wilhelm Beckers dorthin verlegt wurde, nachdem er vorher quer über mehrere Grundstücke westlich der Rathausstraße verlief. In meiner Jugend war er ein Feldweg, als Verlängerung des damaligen Schulgässchens die kurze Dorf- zu Dorf - Verbindung nach Euchen. Heute heißt er Mozartstraße. In der Pützgracht lief dieser Weg an einigen Gärten vorbei. Zwischen der unteren Hauswiese von Martin Dittmann und dem Neuen Weg, dort, wo heute die Häuser Windelschmidt und Bontenackels stehen, lag ein langer und schmaler Garten, den Hubert Maaßen bearbeitete. Oben begann der Garten hinter der Wiese von Wilhelm Beckers. Das starke Gefälle des Terrains und Teile der alten Hecke sieht man heute noch von der Mozartstraße aus zwischen den Häusern von Rudi Mohren und Marianne Windelschmidt.

Das elterliche Maaßen-Haus stand an der Ecke Fronhof-/Lindenerstraße (früher Rathaus-/Hauptstraße und während des Krieges Wilhelm-Gustloff/Ad. Hitlerstr.)

Es war ein großes Fachwerkhaus mit einer Toreinfahrt, sicherlich ehemals auch ein Bauernhof. Über den ganzen Giebel zur Fronhofstraße hin stand ein großer Spalierbaum, dessen Birnen frisch nicht zu essen waren, sogen. "Steckbiere".

Oben im Haus wohnten Kienzel.

Hubert Maaßen war ein ausgesprochener Vereinsmensch. Er war im Turnverein, im Kaninchen-Zuchtverein und sang im Männer-Gesang-Verein eine starke Tenorstimme.

Hinter der Kreuzung in der Pützgracht war ebenfalls ein langer, jedoch breiterer Garten, der durch den Bach unterbrochen wurde. Er wurde von Martin Kleiker und Franz Aretz bearbeitet. Martin Kleiker wohnte damals im ältesten, dem ursprünglichen Haus der Familie Mainz, einem schon teilweise gemauerten Haus aus der Zeit vor 1800, als diese Mischbauweise noch neu und deshalb selten war. Das Haus wurde in den 60ern abgerissen, heute stehen dort Garagen. Die Familie Franz Aretz wohnte direkt daneben, ebenfalls in einem Mainz-Haus, das heute noch steht. Die Scheune hinter diesem Haus musste seinerzeit Platz machen für die erste Vergrößerung von Kronenbrot. Diesen Häusern gegenüber, zwischen dem Bauernhof Dohmen und der langen Mauer von Kalkbrenner (die beim Neubau des Geschäftshauses von Paul und dem Wohnhaus von Josef Kalkbrenner weichen musste) wohnten damals Wenders, Dieudonné Orgeig (d'r Jedöng), Mertens, Saal und Hubert Lövenich (genannt "et Dönkelche“)

Zurück zu den Gärten der Pützgracht. Der Garten von Hubert Maaßen lag hoch über dem Niveau des Neuen Weges und war abschüssig. Es musste also viel Wasser herbeigeschafft werden und auch ich habe manchen Eimer aus dem Bach hinaufgeschleppt, um Herrn Maaßen zu helfen. Die unteren Gärten lagen unter Wegniveau, in der Nähe des Baches etwas sumpfig, doch der Boden war tiefschwarz und sehr ertragreich. Im vorderen Teil des Gartens, also vor dem Bach, stand der abgewrackte Kastenaufbau eines Opel-Lastkraftwagens, der in seinen guten Zeiten als Kronenbrot-Lieferwagen gedient hatte. Hierin fanden die Männer Unterschlupf bei plötzlich auftretendem Regen und hier wurde auch während der Gartenarbeit schon mal eine Pause gemacht, um ein Pfeifchen zu rauchen und um "us d'r Blääch" einen guten Schluck zur Brust zu nehmen.

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